Gespräch mit Denise Dillier,
ehemalige Direktorin der regionalen Tourismusorganisation Viamala Tourismus,
16.03.2020
Sven Fawer: Graubünden weist grosse Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen auf, nicht zuletzt was Klientel und Tourismusarten betrifft. Welche Stellung nimmt Viamala Tourismus innerhalb des Graubündner Tourismusverbunds diesbezüglich ein?
Denise Dillier: Graubünden Ferien agiert als kantonale Dachorganisation und vermarktet in diesem Sinne ein regionübergreifendes Produkt. Viamala Tourismus hatte eine Kooperation mit Graubünden Ferien (und weiteren Destinationen) im Bereich Wandertourismus und «Mein Bergdorf», also einer Kooperation zwischen kleineren, weniger starken Destinationen agiert. Eine Zeit lang hat man auch mit dem Markt Skitourismus gearbeitet, hat aber gemerkt, dass dies schwierig ist, denn die Ideen der verschiedenen Partner waren extrem unterschiedlich.
Unabhängig von Graubünden Ferien gab es vom Kanton aus zwischen 2006 und 2013 auch ein Förderprojekt mit dem Namen «wettbewerbsfähige Strukturen und Aufgabenteilung im Bündner Tourismus», bei dem damals achtzig bestehende Tourismusvereine ein Stück weit fusioniert werden sollten. Somit wurde gegen die fehlende Wirkung nach Aussen hin durch den Druck des Kantons nach mehr Kooperation vorgegangen. Dieser Zusammenschluss erfolgte bei uns in zwei Schritten; 2009 entstanden aus acht Organisationen die zwei Subregionen nördlich und südlich der Viamala-Schlucht und 2012 wurden anschliessend auch diese beiden zu einer Organisation fusioniert und dadurch Viamala Tourismus gegründet.
Natürlich gab es diesbezüglich auch kritische Stimmen, die darin die Gefahr sahen, dass man als eigenständiger Ort nicht zur Geltung kommt. Es war aber niemals geplant, eine zentralisierte Struktur zu erschaffen, denn es wurde stets eine dezentrale Zusammenarbeit gefördert, z. B. durch Informationsbüros in verschiedenen Ortschaften innerhalb des Verbunds und unter Berücksichtigung der lokalen Angebote und Gegebenheiten.
Wir haben uns auch immer als Gesamtdienstleiter verstanden. Dass sich Viamala Tourismus neuerdings per sofort aus operativen Aufgabenerfüllungen zurückziehen will, ist vielleicht in der Gemeinde ein wenig ungestüm herübergekommen. Sicher kann man darüber sprechen. Die Art und Weise und das Tempo, das jetzt angeschlagen wird, erachte ich als problematisch. Auch ist so die langjährige regionale Aufbauarbeit gefährdet.
SF: Vor ein paar Jahren wurde das Bergbahnunternehmen in Splügen restrukturiert. Was ist das genaue Verhältnis des Betriebs zur Gemeinde und seine Bedeutung?
DD: Die Bergbahnen waren schon immer eine eigenständige Aktiengesellschaft. Das Unternehmen geriet vor drei Jahren in finanzielle Schwierigkeiten und der Verwaltungsrat wurde komplett ersetzt. Es gelang dem neuen Verwaltungsrat mit den Banken einen Kapitalschnitt zu vereinbaren. Die Gemeinde Rheinwald hat sich in den letzten Jahren dabei immer stärker beteiligen müssen und seit November 2019 ist Christian Simmen als Gemeindepräsident im Verwaltungsrat. Allerdings war schon immer jemand aus der Gemeinde darin vertreten.
Historisch gesehen hat der Skitourismus zeitgleich mit der Fertigstellung des San Bernardino-Tunnels 1967 richtig eingesetzt, denn so wurde auch der Zugang zum Markt im Süden eröffnet. Auch heute ist die A13, mit all ihren Nachteilen immer noch eine lebenswichtige Ader für die Skistation. Sie hat ermöglicht, dass der Tagestourismus sich im Tal etabliert.
SF: Trotz der geographischen Mitte, hat sich aber diese Art des Tourismus auch vorallem für den aus dem italienischen Raum stammenden Gast etabliert. Ein Grund dafür könnte sein, dass das Skiangebot auf dem Weg in die Bergen vom Süden aus nicht so reich ist, wie wenn man aus dem Norden kommt. Wurde da auch einer aktiven Vermarktungsstrategie nachgegangen?
DD: Der Raum Tessin und Norditalien war diesbezüglich lange Zeit ein sehr attraktiver Markt, der eine grosse Kaufkraft aufwies. Da diese Kundschaft am Anfang auch kam, hat eventuell dazu geführt, dass die Bergbahnen den Fokus auf den Markt südlich des San Bernardinos gelegt haben und nicht auf die nördlichen Regionen. In den Köpfen scheint zudem verankert zu sein, dass Splügen von Chur aus weit entfernter ist, als viele andere Skiegebiete, obwohl man auch hier in 35 Minuten vor Ort ist.
Als Fazit kann man auch sagen, dass der Skibetrieb einfach auch ein schwieriges Feld ist, sei es wegen der Wetterabhängigkeit oder der Grösse des Skigebiets. Chancen sehe ich aber z.B. gerade wegen der Überschaubarkeit im persönlichen Austausch und der Gastronomie.
SF: Der Fokus scheint in der Gemeinde Rheinwald immer noch sehr stark auf den Skitourismus gerichtet zu sein. Dies obwohl es ja ein gewisses, auch wirtschaftliches Potenzial für «verlangsamten» Sommertourismus zu geben scheint, nicht zuletzt auch dank der bekannten Kulturwanderroute über den Splügenpass.
DD: Mit der «viaSpluga» feiern wir dieses Jahr das zwanzigste Jubiläum und waren in der Lage ein Produkt auf- und auszubauen, das den Sommertourismus wirklich gestärkt hat. Auch wenn man Hoteliers nach den Logiernächten fragen würde, würden sie höchstwahrscheinlich bestätigen, dass man diesbezüglich mit dem Winter mithalten kann. Die Sommersaison ist an sich von Juni bis Oktober schon länger als der Skibetrieb, welcher normalerweise von Weihnachten bis maximal Ostern dauert. In den Köpfen der lokalen Bevölkerung ist dies aber wahrscheinlich schon der Fall, dass eine stärkere Wichtigkeit dem Wintertourismus zugeschrieben wird.
SF: Verglichen mit dem Skitourismus, der eine eher junge Vergangenheit hat, ist der Wandertourismus aus meiner Sicht auch stark mit der Vergangenheit der Region verknüpft. Die bestehende Kultur der Säumer, die Pfade über die Alpenpässe und durch verschiedene politische Entitäten schaffen den Kontext dafür.
DD: Es ist sicher stark damit verbunden, aber auch mit einem aktuellen Trend verknüpft, bei dem diese Grundlage fruchtet. Vor zwanzig Jahren hat man vielleicht gar nicht geglaubt, dass das Wandern zu solch einem Trend wird. Nach dem Untergang des Säumerwesens ist vieles – z.B. überregionale Kontakte, auch über den Berg – quasi eingeschlafen. Nun sitzen alleine schon zwischen Thusis und Splügen Hoteliers wieder zusammen an einen Tisch und reden über ein gemeinsames Angebot. Transit war schon immer ein Teil des Ortes. Für mich ist die «viaSpluga» nun etwas wie eine moderne Form davon. Dass Gäste nur für eine Nacht bleiben und dann weitergehen ist auch passend zu unserer Hotellerie. Keines unserer Hotels ist wirklich ein Ferienhotel im klassischen Sinne, denn sie sind eher für Kurzaufenthalte ausgelegt. Es gibt ja z.B. praktisch keine Zimmer mit Balkon.
SF: Aktuelle Trends gibt es ja auch in Sachen Gastronomie bzw. regionalen Produkten. Im Rheinwald konnten sich auch die Sennereigenossenschaften Nufenen, Splügen und Sufers als nachhaltige Marktwirtschaft gut etablieren. Spielen diese Potenziale auch für den Tourismus und die Vermarktung der Region eine Rolle?
DD: Die regionalen Produktionsbetriebe haben für die ganzen Region eine grosse Bedeutung. Für den Tourismus spielt dabei der Wiedererkennungswert eine Rolle, denn die Produkte werden schweizweit verkauft. Wir haben da versucht, so gut es ging auf diese Produkte aufmerksam zu machen, jedoch indirekt und nicht als eigenständiges Marktsegment. Mit dem Naturpark Beverin, von dem seit dem 1. Januar auch die Gemeinde Rheinwald Teil ist (die Gemeinde Sufers war schon länger dabei), erhalten solche Produkte die Chance eine stärkere Bedeutung zu bekommen und sichtbarer zu werden. Dies geschieht z.B. in Form von Labels oder Vermarktung in lokalen Gastronomiebetrieben. Ich glaube schon, dass diesbezüglich ein grosses Potenzial besteht.
Ein kleiner zusätzlicher Input nebenbei; Das Militär war jahrelang in der Nebensaison ein wichtiger Gast für die lokalen Restaurationsbetriebe. Nur hatten die keine grossen Ansprüche an die Qualität der Produkte oder des Services, denn sie kamen sowieso. Eine fehlende Sensibilisierung bezüglich des Gastgewerbes hat sicher ein Stück weit damit zu tun.
SF: Zuletzt würde ich gerne noch kurz über das Projekt Parc Adula, von dem die Gemeinde Rheinwald ja der östliche Teil gewesen wäre, sprechen. Die Zustimmung war in den damaligen drei Gemeinden unterschiedlich und Du warst quasi Botschafterin für das Projekt im Tal. Wie war die Stimmung gegenüber dem Park in der lokalen Bevölkerung?
DD: Ich habe mich schon eingesetzt, ich glaube aber auch, dass die Projektverantwortlichen es am Sitz in Roveredo teilweise nicht geschafft haben, die Bedeutung des Parks zu vermitteln. Man hatte zwar für etwa eineinhalb Jahren eine Aussenstelle für den Park hier in Splügen, besetzt durch Julia Lüscher, die bei uns in einer Bürogemeinschaft war und auch akzeptiert war in der Bevölkerung. Aufgrund von Meinungsverschiedenheiten mit ihrem Arbeitgeber zog sie sich allerdings zurück und die Stelle wurde oder konnte nicht mehr besetzt werden. Dadurch war für die wichtigste Zeit vor der Abstimmung hier vor Ort niemand verantwortlich. Die Glaubwürdigkeit der Parkverantwortlichen an sich, auch wenn sie hie und da in die Gemeinden kamen, ging somit verloren. Klar gab es zudem einige sehr laute Stimmen dagegen, aber es war eigentlich auch nicht wirklich jemand im Tal, der für den Park offiziell einstand. So kam es, dass Splügen und Hinterrhein dafür abstimmten, Nufenen dagegen. Letztendlich hätten es aber auch nur insgesamt vier Gemeinden sein sollen, die dagegen hätten stimmen dürfen, wobei es dann acht der total siebzehn waren. Es war auch einfach ein riesiger Perimeter mit grossen Distanzen zwischen den verschiedenen beteiligten Ortschaften, auch was die Organisation betrifft. Zusätzlich hat man beispielweise nicht geglaubt, dass es keine neuen Gesetze geben wird, auch z.B. was die geplante Kernzone um das Rheinwaldhorn betraf.
SF: Gab es denn auch irgendwelche Alternativen zum Parc Adula oder sind welche daraus entstanden?
DD: Von Seiten der Gegner gab es absolut keine Gegenvoschläge – sie waren einfach dagegen. Man hat dann aber auf Initiative des Tourismus mit dem Konzept der regionaleren Naturparks fortgefahren. So auch der schon erwähnte Naturpark Beverin, bei dem auch wir hier nun zusammen mit dem Safiental, Schamserberg und Teilen des Heinzerbergs dabei sind. Die Abstimmung hierfür ist sogar problemlos über die Bühne gegangen. Die Auswirkung der Naturparks für die Gemeinde ist dabei insofern eine Chance, dass auch Leute dabei sind, die Projekte und Ideen weiterentwickeln, aber auch die finanzielle Unterstützung, welche dabei für Projekte zur Verfügung gestellt wird.
Gespräch mit Denise Dillier,
ehemalige Direktorin der regionalen Tourismusorganisation Viamala Tourismus,
16.03.2020
Sven Fawer: Graubünden weist grosse Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen auf, nicht zuletzt was Klientel und Tourismusarten betrifft. Welche Stellung nimmt Viamala Tourismus innerhalb des Graubündner Tourismusverbunds diesbezüglich ein?
Denise Dillier: Graubünden Ferien agiert als kantonale Dachorganisation und vermarktet in diesem Sinne ein regionübergreifendes Produkt. Viamala Tourismus hatte eine Kooperation mit Graubünden Ferien (und weiteren Destinationen) im Bereich Wandertourismus und «Mein Bergdorf», also einer Kooperation zwischen kleineren, weniger starken Destinationen agiert. Eine Zeit lang hat man auch mit dem Markt Skitourismus gearbeitet, hat aber gemerkt, dass dies schwierig ist, denn die Ideen der verschiedenen Partner waren extrem unterschiedlich.
Unabhängig von Graubünden Ferien gab es vom Kanton aus zwischen 2006 und 2013 auch ein Förderprojekt mit dem Namen «wettbewerbsfähige Strukturen und Aufgabenteilung im Bündner Tourismus», bei dem damals achtzig bestehende Tourismusvereine ein Stück weit fusioniert werden sollten. Somit wurde gegen die fehlende Wirkung nach Aussen hin durch den Druck des Kantons nach mehr Kooperation vorgegangen. Dieser Zusammenschluss erfolgte bei uns in zwei Schritten; 2009 entstanden aus acht Organisationen die zwei Subregionen nördlich und südlich der Viamala-Schlucht und 2012 wurden anschliessend auch diese beiden zu einer Organisation fusioniert und dadurch Viamala Tourismus gegründet.
Natürlich gab es diesbezüglich auch kritische Stimmen, die darin die Gefahr sahen, dass man als eigenständiger Ort nicht zur Geltung kommt. Es war aber niemals geplant, eine zentralisierte Struktur zu erschaffen, denn es wurde stets eine dezentrale Zusammenarbeit gefördert, z. B. durch Informationsbüros in verschiedenen Ortschaften innerhalb des Verbunds und unter Berücksichtigung der lokalen Angebote und Gegebenheiten.
Wir haben uns auch immer als Gesamtdienstleiter verstanden. Dass sich Viamala Tourismus neuerdings per sofort aus operativen Aufgabenerfüllungen zurückziehen will, ist vielleicht in der Gemeinde ein wenig ungestüm herübergekommen. Sicher kann man darüber sprechen. Die Art und Weise und das Tempo, das jetzt angeschlagen wird, erachte ich als problematisch. Auch ist so die langjährige regionale Aufbauarbeit gefährdet.
SF: Vor ein paar Jahren wurde das Bergbahnunternehmen in Splügen restrukturiert. Was ist das genaue Verhältnis des Betriebs zur Gemeinde und seine Bedeutung?
DD: Die Bergbahnen waren schon immer eine eigenständige Aktiengesellschaft. Das Unternehmen geriet vor drei Jahren in finanzielle Schwierigkeiten und der Verwaltungsrat wurde komplett ersetzt. Es gelang dem neuen Verwaltungsrat mit den Banken einen Kapitalschnitt zu vereinbaren. Die Gemeinde Rheinwald hat sich in den letzten Jahren dabei immer stärker beteiligen müssen und seit November 2019 ist Christian Simmen als Gemeindepräsident im Verwaltungsrat. Allerdings war schon immer jemand aus der Gemeinde darin vertreten.
Historisch gesehen hat der Skitourismus zeitgleich mit der Fertigstellung des San Bernardino-Tunnels 1967 richtig eingesetzt, denn so wurde auch der Zugang zum Markt im Süden eröffnet. Auch heute ist die A13, mit all ihren Nachteilen immer noch eine lebenswichtige Ader für die Skistation. Sie hat ermöglicht, dass der Tagestourismus sich im Tal etabliert.
SF: Trotz der geographischen Mitte, hat sich aber diese Art des Tourismus auch vorallem für den aus dem italienischen Raum stammenden Gast etabliert. Ein Grund dafür könnte sein, dass das Skiangebot auf dem Weg in die Bergen vom Süden aus nicht so reich ist, wie wenn man aus dem Norden kommt. Wurde da auch einer aktiven Vermarktungsstrategie nachgegangen?
DD: Der Raum Tessin und Norditalien war diesbezüglich lange Zeit ein sehr attraktiver Markt, der eine grosse Kaufkraft aufwies. Da diese Kundschaft am Anfang auch kam, hat eventuell dazu geführt, dass die Bergbahnen den Fokus auf den Markt südlich des San Bernardinos gelegt haben und nicht auf die nördlichen Regionen. In den Köpfen scheint zudem verankert zu sein, dass Splügen von Chur aus weit entfernter ist, als viele andere Skiegebiete, obwohl man auch hier in 35 Minuten vor Ort ist.
Als Fazit kann man auch sagen, dass der Skibetrieb einfach auch ein schwieriges Feld ist, sei es wegen der Wetterabhängigkeit oder der Grösse des Skigebiets. Chancen sehe ich aber z.B. gerade wegen der Überschaubarkeit im persönlichen Austausch und der Gastronomie.
SF: Der Fokus scheint in der Gemeinde Rheinwald immer noch sehr stark auf den Skitourismus gerichtet zu sein. Dies obwohl es ja ein gewisses, auch wirtschaftliches Potenzial für «verlangsamten» Sommertourismus zu geben scheint, nicht zuletzt auch dank der bekannten Kulturwanderroute über den Splügenpass.
DD: Mit der «viaSpluga» feiern wir dieses Jahr das zwanzigste Jubiläum und waren in der Lage ein Produkt auf- und auszubauen, das den Sommertourismus wirklich gestärkt hat. Auch wenn man Hoteliers nach den Logiernächten fragen würde, würden sie höchstwahrscheinlich bestätigen, dass man diesbezüglich mit dem Winter mithalten kann. Die Sommersaison ist an sich von Juni bis Oktober schon länger als der Skibetrieb, welcher normalerweise von Weihnachten bis maximal Ostern dauert. In den Köpfen der lokalen Bevölkerung ist dies aber wahrscheinlich schon der Fall, dass eine stärkere Wichtigkeit dem Wintertourismus zugeschrieben wird.
SF: Verglichen mit dem Skitourismus, der eine eher junge Vergangenheit hat, ist der Wandertourismus aus meiner Sicht auch stark mit der Vergangenheit der Region verknüpft. Die bestehende Kultur der Säumer, die Pfade über die Alpenpässe und durch verschiedene politische Entitäten schaffen den Kontext dafür.
DD: Es ist sicher stark damit verbunden, aber auch mit einem aktuellen Trend verknüpft, bei dem diese Grundlage fruchtet. Vor zwanzig Jahren hat man vielleicht gar nicht geglaubt, dass das Wandern zu solch einem Trend wird. Nach dem Untergang des Säumerwesens ist vieles – z.B. überregionale Kontakte, auch über den Berg – quasi eingeschlafen. Nun sitzen alleine schon zwischen Thusis und Splügen Hoteliers wieder zusammen an einen Tisch und reden über ein gemeinsames Angebot. Transit war schon immer ein Teil des Ortes. Für mich ist die «viaSpluga» nun etwas wie eine moderne Form davon. Dass Gäste nur für eine Nacht bleiben und dann weitergehen ist auch passend zu unserer Hotellerie. Keines unserer Hotels ist wirklich ein Ferienhotel im klassischen Sinne, denn sie sind eher für Kurzaufenthalte ausgelegt. Es gibt ja z.B. praktisch keine Zimmer mit Balkon.
SF: Aktuelle Trends gibt es ja auch in Sachen Gastronomie bzw. regionalen Produkten. Im Rheinwald konnten sich auch die Sennereigenossenschaften Nufenen, Splügen und Sufers als nachhaltige Marktwirtschaft gut etablieren. Spielen diese Potenziale auch für den Tourismus und die Vermarktung der Region eine Rolle?
DD: Die regionalen Produktionsbetriebe haben für die ganzen Region eine grosse Bedeutung. Für den Tourismus spielt dabei der Wiedererkennungswert eine Rolle, denn die Produkte werden schweizweit verkauft. Wir haben da versucht, so gut es ging auf diese Produkte aufmerksam zu machen, jedoch indirekt und nicht als eigenständiges Marktsegment. Mit dem Naturpark Beverin, von dem seit dem 1. Januar auch die Gemeinde Rheinwald Teil ist (die Gemeinde Sufers war schon länger dabei), erhalten solche Produkte die Chance eine stärkere Bedeutung zu bekommen und sichtbarer zu werden. Dies geschieht z.B. in Form von Labels oder Vermarktung in lokalen Gastronomiebetrieben. Ich glaube schon, dass diesbezüglich ein grosses Potenzial besteht.
Ein kleiner zusätzlicher Input nebenbei; Das Militär war jahrelang in der Nebensaison ein wichtiger Gast für die lokalen Restaurationsbetriebe. Nur hatten die keine grossen Ansprüche an die Qualität der Produkte oder des Services, denn sie kamen sowieso. Eine fehlende Sensibilisierung bezüglich des Gastgewerbes hat sicher ein Stück weit damit zu tun.
SF: Zuletzt würde ich gerne noch kurz über das Projekt Parc Adula, von dem die Gemeinde Rheinwald ja der östliche Teil gewesen wäre, sprechen. Die Zustimmung war in den damaligen drei Gemeinden unterschiedlich und Du warst quasi Botschafterin für das Projekt im Tal. Wie war die Stimmung gegenüber dem Park in der lokalen Bevölkerung?
DD: Ich habe mich schon eingesetzt, ich glaube aber auch, dass die Projektverantwortlichen es am Sitz in Roveredo teilweise nicht geschafft haben, die Bedeutung des Parks zu vermitteln. Man hatte zwar für etwa eineinhalb Jahren eine Aussenstelle für den Park hier in Splügen, besetzt durch Julia Lüscher, die bei uns in einer Bürogemeinschaft war und auch akzeptiert war in der Bevölkerung. Aufgrund von Meinungsverschiedenheiten mit ihrem Arbeitgeber zog sie sich allerdings zurück und die Stelle wurde oder konnte nicht mehr besetzt werden. Dadurch war für die wichtigste Zeit vor der Abstimmung hier vor Ort niemand verantwortlich. Die Glaubwürdigkeit der Parkverantwortlichen an sich, auch wenn sie hie und da in die Gemeinden kamen, ging somit verloren. Klar gab es zudem einige sehr laute Stimmen dagegen, aber es war eigentlich auch nicht wirklich jemand im Tal, der für den Park offiziell einstand. So kam es, dass Splügen und Hinterrhein dafür abstimmten, Nufenen dagegen. Letztendlich hätten es aber auch nur insgesamt vier Gemeinden sein sollen, die dagegen hätten stimmen dürfen, wobei es dann acht der total siebzehn waren. Es war auch einfach ein riesiger Perimeter mit grossen Distanzen zwischen den verschiedenen beteiligten Ortschaften, auch was die Organisation betrifft. Zusätzlich hat man beispielweise nicht geglaubt, dass es keine neuen Gesetze geben wird, auch z.B. was die geplante Kernzone um das Rheinwaldhorn betraf.
SF: Gab es denn auch irgendwelche Alternativen zum Parc Adula oder sind welche daraus entstanden?
DD: Von Seiten der Gegner gab es absolut keine Gegenvoschläge – sie waren einfach dagegen. Man hat dann aber auf Initiative des Tourismus mit dem Konzept der regionaleren Naturparks fortgefahren. So auch der schon erwähnte Naturpark Beverin, bei dem auch wir hier nun zusammen mit dem Safiental, Schamserberg und Teilen des Heinzerbergs dabei sind. Die Abstimmung hierfür ist sogar problemlos über die Bühne gegangen. Die Auswirkung der Naturparks für die Gemeinde ist dabei insofern eine Chance, dass auch Leute dabei sind, die Projekte und Ideen weiterentwickeln, aber auch die finanzielle Unterstützung, welche dabei für Projekte zur Verfügung gestellt wird.