Im Januar 2019 wurde die jüngste Gemeinde der Schweizer Alpen gegründet. Die drei Dorfgemeinden Hinterrhein, Nufenen und Splügen im Kanton Graubünden vereinten sich auf politischer Ebene zur Gemeinde Rheinwald im gleichnamigen Tal. Doch weshalb hat diese Fusion stattgefunden, und welche Potenziale birgt sie?
Eine Erklärung dafür liesse sich mit der optimierten Nutzung der Gemeinderessourcen und -infrastrukturen finden. Im Falle von Rheinwald aber wurden Schul- und Forstwesen schon vor der Fusionierung talübergreifend organisiert und werden dank des politischen Zusammenschlusses vereinfacht. So bestehen beispielsweise Nutzungsvereinbarungen nur noch mit der nicht-mitfusionierten Nachbarsgemeinde Sufers. Für die Gemeinde Rheinwald entsteht durch den Zusammenschluss der vorwiegend landwirtschaftlich geprägten Ortschaften Hinterrhein und Nufenen sowie Splügen, das sich durch einen stärkeren Fokus auf den Tourismus auszeichnet, eine ersichtlich grössere Diversität an Ressourcen.
Ein weiterer Grund für die Fusionierung liesse sich bei der kritischen Bevölkerungsgrösse finden, die für eine Aufrechterhaltung der Infrastruktur notwendig ist. Das Institut für Agrarwissenschaften der ETH Zürich schätzte in einer Publikation namens «Dorfmodell für agrarische Gemeinden» 1999, dass die untere Grenze der Bevölkerungszahl bei 500 Personen liegt.2 Erst ab dieser Gemeindegrösse könne eine Ortschaft ihre Einrichtung kostendeckend erhalten, weil so auch genügend Personen diese nutzen und mitfinanzieren würden. Für die ehemaligen Gemeinden Hinterrhein, Nufenen und Splügen wurde jene kritische Populationsgrösse erst durch die Fusionierung zur Gemeinde Rheinwald erreicht, die nun rund 600 Einwohner*inne zählt.
Doch was ändert sich durch die Fusion tatsächlich am Haushalt der Gemeinde, die sich in einem angeblich «potenzialsarmen Raum»3 befindet und deren Landwirtschaft sowie andere Sektoren auf Förderbeiträgen von Bund und Kanton angewiesen sind? Und welche Bedeutung hat die Zusammenlegung für die Einwohner*innen dieser Ortschaft? Werden sie einen spürbaren Wandel in ihrem Alltag erleben? Werden sie mittelfristig mehr verdienen oder weniger Steuern bezahlen? Um eine Bilanz zu ziehen mag es im Falle von Rheinwald noch zu früh sein.
Der Zusammenschluss kann aber in erster Linie die Gelegenheit bieten, eine ökonomische Selbständigkeit anzustreben. Eine Unabhängigkeit, welche zwar einige Massnahmen und neue Ansätze bedingen würde, aber dank der politischen und gesellschaftlichen Neustrukturierung durch die Gemeindefusion ein ungemeines Potenzial birgt.
Neben dem altbekannten Abwanderungsphänomen steht man heute bei den zwei wichtigsten Wirtschaftszweigen der Alpenregionen, der Berglandwirtschaft und dem Tourismus vor Herausforderungen. Weil auch diese staatlich gefördert werden, sieht man sich in diesen Gegenden nicht selten Vorwürfen und mangelnder Wertschätzung von vielen Seiten ausgesetzt. Das Potenzial der stärkeren Unabhängigkeit stellt somit eine Chance dar, ein revidiertes Ortsbild wiederzugeben, das die Attraktivität des Standortes nicht nur auf den landschaftlichen Reiz oder den Ort für freizeitlichen Rückzug reduziert, sondern auch die Lebens- und Wirtschaftsweise miteinbezieht.
Es stellt sich also die Frage nach der Form dieser finanziellen Unabhängigkeit und wie diese politisch zustande kommen kann, denn es erfordert sowohl ein adäquates ökonomisches als auch gesellschaftliches Modell. Denkbar wäre eine genossenschaftliche Struktur. Eine Genossenschaft «bezweckt in der Hauptsache die Förderung oder Sicherung bestimmter wirtschaftlicher Interessen ihrer Mitglieder in gemeinsamer Selbsthilfe».4 Kann also ein die Gemeinde übergreifendes Genossenschaftsmodell für Rheinwald die Aussichten auf ökonomische Unabhängigkeit bedeuten?
Ein erstaunliches Beispiel für die genossenschaftliche Organisation lässt sich in der Vergangenheit des Rheinwalds finden. Eines, welches diesem konkreten Tal lange Zeit Wohlstand und Autonomie erbrachte und zeigt, dass die Genossenschaft gewissermassen in der DNA des Rheinwalds verankert ist. Das ETH Studio Basel beschrieb 2005 in seinem Städtebaulichen Porträt der Schweiz hierzu das Beispiel von Splügen als Modell des «Alpinen Dorfes» folgenderweise:
«Die relative hohe Autonomie der Bergdörfer widerspiegelt zunächst ihre abgelegene Lage und ihre begrenzte wirtschaftliche Bedeutung. Mit der Umstellung auf die alpine Viehwirtschaft im 15. Jahrhundert erhöht sich aber ihre Produktivität und damit auch die Selbstorganisation als Produktions- und Nutzungsgemeinschaft. Gleichzeitig öffnet sich den Dörfern durch Handel und Transit ein europäisches Beziehungsnetz.»5
Tatsächlich ermöglichte die Tatsache, dass das Rheinwald kein klassisches «Sackgassental» ist und an zwei wichtigen Alpentransitachsen, dem Splügen- und S. Bernardinopass liegt, bereits im Mittelalter den Aufbau einer genossenschaftlichen Struktur. Eine Organisationsform, welche bis ins 19. Jahrhundert von hoher soziopolitischer Bedeutung war; nämlich die Säumergenossenschaft, auch Port genannt.6
Es geht hier nicht in erster Linie um die Prosperität, die das Säumerwesen ins Tal brachte und die in dieser Form heute aus handelspolitischen Gründen höchstwahrscheinlich undenkbar wäre. Vielmehr geht es um die auf Gemeinschaft basierende Struktur der Genossenschaft, die der Talgemeinschaft in nachhaltiger Weise entgegenkam und die aus den ortsspezifischen Bedingungen resultierte. Heute sind genossenschaftliche Strukturen nur noch partiell vorhanden; bei Forst- und Alpbewirtschaftung, bei den Sennereigenossenschaften in Nufenen und Splügen oder bei einem kleinen Flusskraftwerk in Hinterrhein. Manche Einrichtungen basieren auf Nutzungsgemeinschaften, wie dies eine alte Schreinereiwerkstatt in Nufenen zeigt, welche heute von diversen Parteien benutzt wird. Solche Strukturen können jedoch durchaus als zeitgenössische Beweise dafür dienen, dass solche Modelle immer noch im Rheinwald verwurzelt sind.
An dieser Stelle gilt es zwei zentrale Begriffe einzuführen, die mit der Idee einer Talgenossenschaft einhergehen, teilweise ineinandergreifen aber voneinander zu unterscheiden sind; Subsistenz und Suffizienz. Eine rein subsistenzwirtschaftliche Lebensweise richtet sich alleine nach einer eigenständigen Bedarfsdeckung, während die Begrifflichkeit der Suffizienz hingegen durch eine Verminderung des Ressourcenverbrauchs und eine Veränderung der Konsum- und Produktionsmuster definiert ist.7 Beide Ansätze kommen als mögliche Modelle in Frage, voraussichtlich dürften sie für die funktionsfähige Gemeinde als Genossenschaft beide nötig sein.
Zwei weitere Terminologien sind für diese Arbeit von wichtiger Bedeutung; Endogene und exogene Potentiale. Sie beziehen sich auf sämtliche Ressourcen, also von sehr konkreten, materiellen Dingen bis hin zu abstrakteren Potentialen, wie eine schöne Landschaft oder das Gesundheitswesen. Endogen sind jene Ressourcen, welche vor Ort vorhanden sind, exogen diejenigen, die die Gemeinde von Ausserhalb beschaffen muss.8 Die Abwägung beider wird einen grossen Teil dieser Arbeit einnehmen und letztendlich eine entscheidende Rolle für die Aufstellung der eigentlichen Mechanik der hypothetischen Talgenossenschaft spielen.
Darüber hinaus wird das Modell der Allmende – in dieser Arbeit wird dafür der englische Begriff der «Commons»9 verwendet – eine wichtige Rolle in der Infrastruktur- und Güterbewirtschaftung der Talgenossenschaft übernehmen. Die Allmende bzw. «Allmeini» ist im Tal bis anhin hauptsächlich in der Weidebewirtschaftung ein Begriff10 und wird heute mancherorts noch als Flurname benutzt. Erweitert und über die Bodenbewirtschaftung hinaus betrachtet, scheint das Modell der Commons aus heutiger Sicht dennoch ein ausserordentliches Potenzial zu bergen. Zum Beispiel könnte sich das Prinzip der Gemeingüter bei der Beschaffung oder Benutzung von Infrastruktur und Geräten eignen, die von einzelnen Betrieben oder Privaten meist nur gegen Verschuldung finanzierbar sind und im Privatbesitz oftmals unwirtschaftliche Auslastungen aufzeigen. Ein entsprechendes historisches, aber aufschlussreiches Beispiel für solche Nutzungsformen ist der «Gemeindebackofen», welcher bis vor zirka neunzig Jahren auch in den Rheinwaldner Ortschaften vorzufinden war.11
In dieser Arbeit soll also überprüft werden, ob ähnliche Nutzungsgemeinschaften auch in den heutigen Kontext übertragbar sind und beispielsweise bei der Nutzung landwirtschaftlicher Maschinen sowie in anderen Bereichen stattfinden können. Gleichzeitig bilden Commons eine nicht unbedeutende Grundlage für die Überleitung der Hypothese einer Talgenossenschaft in ein architektonisch-räumliches Projekt.
1 Siehe hierzu Kapitel «Alpine Brachen», Diener et al. 2005, S. 929-1005
2 Rieder et al. 1999, S. 117-150
3 Cavelti und Kopainsky 2006
4 Art. 828 A des Obligationenrechts des Bundes
5 Diener et al. 2005, S. 366
6 Siehe hierzu Oswald 1931 S. 62-69, auch Simonett 1986, S. 8 ff.
7 Siehe hierzu Fischer et al. 2013, auch Sachs 2015, auch Jacobsen et al. 2016
8 Vazquez-Barquero und Rodriguez-Cohard 2016, auch Deimling und Raith 2017
9 Siehe hierzu die ausführliche Theorie der Allmende von Ostrom 1990
10 Siehe hierzu Lorez 1943, S. 177-178, auch Oswald 1931 S. 96-97
11 Siehe hierzu Oswald 1931, S. 234 ff.
Im Januar 2019 wurde die jüngste Gemeinde der Schweizer Alpen gegründet. Die drei Dorfgemeinden Hinterrhein, Nufenen und Splügen im Kanton Graubünden vereinten sich auf politischer Ebene zur Gemeinde Rheinwald im gleichnamigen Tal. Doch weshalb hat diese Fusion stattgefunden, und welche Potenziale birgt sie?
Eine Erklärung dafür liesse sich mit der optimierten Nutzung der Gemeinderessourcen und -infrastrukturen finden. Im Falle von Rheinwald aber wurden Schul- und Forstwesen schon vor der Fusionierung talübergreifend organisiert und werden dank des politischen Zusammenschlusses vereinfacht. So bestehen beispielsweise Nutzungsvereinbarungen nur noch mit der nicht-mitfusionierten Nachbarsgemeinde Sufers. Für die Gemeinde Rheinwald entsteht durch den Zusammenschluss der vorwiegend landwirtschaftlich geprägten Ortschaften Hinterrhein und Nufenen sowie Splügen, das sich durch einen stärkeren Fokus auf den Tourismus auszeichnet, eine ersichtlich grössere Diversität an Ressourcen.
Ein weiterer Grund für die Fusionierung liesse sich bei der kritischen Bevölkerungsgrösse finden, die für eine Aufrechterhaltung der Infrastruktur notwendig ist. Das Institut für Agrarwissenschaften der ETH Zürich schätzte in einer Publikation namens «Dorfmodell für agrarische Gemeinden» 1999, dass die untere Grenze der Bevölkerungszahl bei 500 Personen liegt.2 Erst ab dieser Gemeindegrösse könne eine Ortschaft ihre Einrichtung kostendeckend erhalten, weil so auch genügend Personen diese nutzen und mitfinanzieren würden. Für die ehemaligen Gemeinden Hinterrhein, Nufenen und Splügen wurde jene kritische Populationsgrösse erst durch die Fusionierung zur Gemeinde Rheinwald erreicht, die nun rund 600 Einwohner*inne zählt.
Doch was ändert sich durch die Fusion tatsächlich am Haushalt der Gemeinde, die sich in einem angeblich «potenzialsarmen Raum»3 befindet und deren Landwirtschaft sowie andere Sektoren auf Förderbeiträgen von Bund und Kanton angewiesen sind? Und welche Bedeutung hat die Zusammenlegung für die Einwohner*innen dieser Ortschaft? Werden sie einen spürbaren Wandel in ihrem Alltag erleben? Werden sie mittelfristig mehr verdienen oder weniger Steuern bezahlen? Um eine Bilanz zu ziehen mag es im Falle von Rheinwald noch zu früh sein.
Der Zusammenschluss kann aber in erster Linie die Gelegenheit bieten, eine ökonomische Selbständigkeit anzustreben. Eine Unabhängigkeit, welche zwar einige Massnahmen und neue Ansätze bedingen würde, aber dank der politischen und gesellschaftlichen Neustrukturierung durch die Gemeindefusion ein ungemeines Potenzial birgt.
Neben dem altbekannten Abwanderungsphänomen steht man heute bei den zwei wichtigsten Wirtschaftszweigen der Alpenregionen, der Berglandwirtschaft und dem Tourismus vor Herausforderungen. Weil auch diese staatlich gefördert werden, sieht man sich in diesen Gegenden nicht selten Vorwürfen und mangelnder Wertschätzung von vielen Seiten ausgesetzt. Das Potenzial der stärkeren Unabhängigkeit stellt somit eine Chance dar, ein revidiertes Ortsbild wiederzugeben, das die Attraktivität des Standortes nicht nur auf den landschaftlichen Reiz oder den Ort für freizeitlichen Rückzug reduziert, sondern auch die Lebens- und Wirtschaftsweise miteinbezieht.
Es stellt sich also die Frage nach der Form dieser finanziellen Unabhängigkeit und wie diese politisch zustande kommen kann, denn es erfordert sowohl ein adäquates ökonomisches als auch gesellschaftliches Modell. Denkbar wäre eine genossenschaftliche Struktur. Eine Genossenschaft «bezweckt in der Hauptsache die Förderung oder Sicherung bestimmter wirtschaftlicher Interessen ihrer Mitglieder in gemeinsamer Selbsthilfe».4 Kann also ein die Gemeinde übergreifendes Genossenschaftsmodell für Rheinwald die Aussichten auf ökonomische Unabhängigkeit bedeuten?
Ein erstaunliches Beispiel für die genossenschaftliche Organisation lässt sich in der Vergangenheit des Rheinwalds finden. Eines, welches diesem konkreten Tal lange Zeit Wohlstand und Autonomie erbrachte und zeigt, dass die Genossenschaft gewissermassen in der DNA des Rheinwalds verankert ist. Das ETH Studio Basel beschrieb 2005 in seinem Städtebaulichen Porträt der Schweiz hierzu das Beispiel von Splügen als Modell des «Alpinen Dorfes» folgenderweise:
«Die relative hohe Autonomie der Bergdörfer widerspiegelt zunächst ihre abgelegene Lage und ihre begrenzte wirtschaftliche Bedeutung. Mit der Umstellung auf die alpine Viehwirtschaft im 15. Jahrhundert erhöht sich aber ihre Produktivität und damit auch die Selbstorganisation als Produktions- und Nutzungsgemeinschaft. Gleichzeitig öffnet sich den Dörfern durch Handel und Transit ein europäisches Beziehungsnetz.»5
Tatsächlich ermöglichte die Tatsache, dass das Rheinwald kein klassisches «Sackgassental» ist und an zwei wichtigen Alpentransitachsen, dem Splügen- und S. Bernardinopass liegt, bereits im Mittelalter den Aufbau einer genossenschaftlichen Struktur. Eine Organisationsform, welche bis ins 19. Jahrhundert von hoher soziopolitischer Bedeutung war; nämlich die Säumergenossenschaft, auch Port genannt.6
Es geht hier nicht in erster Linie um die Prosperität, die das Säumerwesen ins Tal brachte und die in dieser Form heute aus handelspolitischen Gründen höchstwahrscheinlich undenkbar wäre. Vielmehr geht es um die auf Gemeinschaft basierende Struktur der Genossenschaft, die der Talgemeinschaft in nachhaltiger Weise entgegenkam und die aus den ortsspezifischen Bedingungen resultierte. Heute sind genossenschaftliche Strukturen nur noch partiell vorhanden; bei Forst- und Alpbewirtschaftung, bei den Sennereigenossenschaften in Nufenen und Splügen oder bei einem kleinen Flusskraftwerk in Hinterrhein. Manche Einrichtungen basieren auf Nutzungsgemeinschaften, wie dies eine alte Schreinereiwerkstatt in Nufenen zeigt, welche heute von diversen Parteien benutzt wird. Solche Strukturen können jedoch durchaus als zeitgenössische Beweise dafür dienen, dass solche Modelle immer noch im Rheinwald verwurzelt sind.
An dieser Stelle gilt es zwei zentrale Begriffe einzuführen, die mit der Idee einer Talgenossenschaft einhergehen, teilweise ineinandergreifen aber voneinander zu unterscheiden sind; Subsistenz und Suffizienz. Eine rein subsistenzwirtschaftliche Lebensweise richtet sich alleine nach einer eigenständigen Bedarfsdeckung, während die Begrifflichkeit der Suffizienz hingegen durch eine Verminderung des Ressourcenverbrauchs und eine Veränderung der Konsum- und Produktionsmuster definiert ist.7 Beide Ansätze kommen als mögliche Modelle in Frage, voraussichtlich dürften sie für die funktionsfähige Gemeinde als Genossenschaft beide nötig sein.
Zwei weitere Terminologien sind für diese Arbeit von wichtiger Bedeutung; Endogene und exogene Potentiale. Sie beziehen sich auf sämtliche Ressourcen, also von sehr konkreten, materiellen Dingen bis hin zu abstrakteren Potentialen, wie eine schöne Landschaft oder das Gesundheitswesen. Endogen sind jene Ressourcen, welche vor Ort vorhanden sind, exogen diejenigen, die die Gemeinde von Ausserhalb beschaffen muss.8 Die Abwägung beider wird einen grossen Teil dieser Arbeit einnehmen und letztendlich eine entscheidende Rolle für die Aufstellung der eigentlichen Mechanik der hypothetischen Talgenossenschaft spielen.
Darüber hinaus wird das Modell der Allmende – in dieser Arbeit wird dafür der englische Begriff der «Commons»9 verwendet – eine wichtige Rolle in der Infrastruktur- und Güterbewirtschaftung der Talgenossenschaft übernehmen. Die Allmende bzw. «Allmeini» ist im Tal bis anhin hauptsächlich in der Weidebewirtschaftung ein Begriff10 und wird heute mancherorts noch als Flurname benutzt. Erweitert und über die Bodenbewirtschaftung hinaus betrachtet, scheint das Modell der Commons aus heutiger Sicht dennoch ein ausserordentliches Potenzial zu bergen. Zum Beispiel könnte sich das Prinzip der Gemeingüter bei der Beschaffung oder Benutzung von Infrastruktur und Geräten eignen, die von einzelnen Betrieben oder Privaten meist nur gegen Verschuldung finanzierbar sind und im Privatbesitz oftmals unwirtschaftliche Auslastungen aufzeigen. Ein entsprechendes historisches, aber aufschlussreiches Beispiel für solche Nutzungsformen ist der «Gemeindebackofen», welcher bis vor zirka neunzig Jahren auch in den Rheinwaldner Ortschaften vorzufinden war.11
In dieser Arbeit soll also überprüft werden, ob ähnliche Nutzungsgemeinschaften auch in den heutigen Kontext übertragbar sind und beispielsweise bei der Nutzung landwirtschaftlicher Maschinen sowie in anderen Bereichen stattfinden können. Gleichzeitig bilden Commons eine nicht unbedeutende Grundlage für die Überleitung der Hypothese einer Talgenossenschaft in ein architektonisch-räumliches Projekt.
1 Siehe hierzu Kapitel «Alpine Brachen», Diener et al. 2005, S. 929-1005
2 Rieder et al. 1999, S. 117-150
3 Cavelti und Kopainsky 2006
4 Art. 828 A des Obligationenrechts des Bundes
5 Diener et al. 2005, S. 366
6 Siehe hierzu Oswald 1931 S. 62-69, auch Simonett 1986, S. 8 ff.
7 Siehe hierzu Fischer et al. 2013, auch Sachs 2015, auch Jacobsen et al. 2016
8 Vazquez-Barquero und Rodriguez-Cohard 2016, auch Deimling und Raith 2017
9 Siehe hierzu die ausführliche Theorie der Allmende von Ostrom 1990
10 Siehe hierzu Lorez 1943, S. 177-178, auch Oswald 1931 S. 96-97
11 Siehe hierzu Oswald 1931, S. 234 ff.